Night Train by Judith Clarke

Night Train by Judith Clarke

Autor:Judith Clarke [Clarke, Judith]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Jugend, Drama
Herausgeber: ok
veröffentlicht: 2007-05-31T08:59:18+00:00


Nachtwölfe

Von dem Moment an, als er den Briefträger unten am Bahnhof sah, hatte Luke die merkwürdige Gewissheit verspürt, dass Stringer seinen Eltern per Brief mitteilte, ihr Sohn sei von der Schule verwiesen worden. Stringer war einfach der Typ, der so etwas schriftlich erledigte, damit er ihnen nicht ins Gesicht zu sehen brauchte oder ihre schockierten, beschwörenden Stimmen hören musste.

Eine Briefbombe. Stringer hatte tatsächlich etwas von einem Terroristen, denselben ausdruckslosen Blick, als könne er gar nicht begreifen, dass es um echte Menschen aus Fleisch und Blut ging.

Aber es war kein Brief da. Der Kasten war leer, auf dem Tisch in der Diele lagen nichts als Rechnungen und Ma und Dad sagten nichts. Doch Luke hatte immer noch keine Ruhe.

Er konnte überhaupt nicht einschätzen, ob Stringer wirklich die Absicht hatte, ihn hinauszuwerfen, oder ob er einfach nur Mist redete, wie Caro sagte. Wie auch immer, Luke durfte sich nicht sicher sein, und das Nichtwissen war fast genauso schlimm, als würde es wirklich passieren. Die Ungewissheit gab einem das Gefühl, durch tückisches Dickicht zu tappen, mit angehaltenem Atem, bis einem der Brustkorb wehtat, und darauf zu warten, dass eine Falle zuschnappte.

Es hatte gar keinen Sinn, jetzt zu arbeiten. »Du schaffst das schon«, hatte Caro gesagt, aber seit dem Abendessen hatte er nur untätig in seinem Zimmer gehockt. Schon der Anblick der blauen Mappe mit den Eselsohren löste leichte Übelkeit bei ihm aus, als hätte er sich den Magen verdorben.

Morgen war Donnerstag. Was, wenn er am Sonntagabend immer noch hier sitzen würde, immer noch ohne eine Idee?

Was, wenn es wirklich passierte? Genau das? Konnte es passieren? Dieses Vorhängeschloss-Gefühl in seinem Kopf war einfach verrückt. Wenn er es doch nur geschafft hätte, Caro an diesem Nachmittag davon zu erzählen. Es war doch schon fast ausgesprochen gewesen, aber dann hatte er sich wieder zurückgezogen, so wie immer.

Es gab einfach niemand anders, dem er davon hätte erzählen können. Ms Brennan wollte er es nicht sagen, sie wäre nur enttäuscht von ihm gewesen. Und Ma würde sich bloß aufregen. Was Dad betraf… Man konnte sich ja schlecht mit jemandem unterhalten, der nicht mit einem redete, der sogar so tat, als sei man gar nicht da.

Als sein Vater mit dem Schweigen begann, dachte Luke, die Bestrafung würde nur ein paar Tage dauern und er müsste einfach den Atem anhalten und leiser auftreten, bis sich die Wogen wieder glätteten.

Aber es hörte gar nicht mehr auf. Luke hatte versucht, das Schweigen zu brechen; er pickte sich kleine Abschnitte aus Zeitungsartikeln heraus, verrückte Stellen oder witzige Absätze, über die er und Dad früher zusammen gelacht hätten.

Wenn sein Vater im Fernsehzimmer saß, ging er hinüber zu ihm, sagte: »Hey, Dad, hör dir das an!«, und las den Absatz laut vor. Aber schon nach der Hälfte oder sogar früher merkte er, dass sein Vater nichts dazu sagen würde. Dann bekam Lukes Stimme einen ganz merkwürdigen Klang, aber er las den Absatz trotzdem zu Ende, denn abzubrechen wäre noch viel schlimmer gewesen.

Schweigen.

Danach hatte er immer noch einen Moment abgewartet, war in der Tür stehen geblieben,



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.